Vielleicht geht es Ihnen genauso. Ich kann diese verdrehten, selbstherrlichen „Wahrheiten“ der neuen griechischen Regierung nicht mehr hören. Die Höhe ist, dass die Griechen wieder die alten Kamellen des zweiten Weltkriegs auskramen und unanständige Forderungen stellen. Für mich gib es nur eine klare Alternative: Entweder die Griechen bringen ihr Fiskalsystem in Ordnung und zahlen endlich Steuern oder sie wurschteln so weiter wie bisher – dann aber mit der Konsequenz, dass sie von den verhassten deutschen Steuerzahlern nicht weiter durchgefüttert werden. Das ist alternativlos.
Erlauben Sie mir, meine Sicht der Dinge darzustellen. Fünf Wahrheiten über Griechenland:
1. Die griechischen Staatsfinanzen waren beim Euro-Eintritt getürkt.
Durch die amerikanische Finanzindustrie, allen voran Goldman Sachs, wurden die Zahlen vor dem Eintritt manipuliert. Die Griechen hätten nie in den Euroraum aufgenommen werden dürfen. Waigel hatte sich immer dagegen gewehrt, Schröder nahm sie dann – staatsmännisch wie immer – mit offenen Armen auf. Tsipras fängt mit seiner Argumentation – viel zu spät – mit dem Ausbruch der Finanzkrise an. Die Wallstreet lacht sich eins und profitiert in großem Stil an der Situation. Wo sind denn die 100 Mrd. Euro versickert, die seit 2007 zusätzlich aufgenommen wurden?
2. Die Griechen zahlen heute weniger Zinsen als 2000 und das BIP hat sich bis 2007 fast verdoppelt
Fakt ist: Seit dem Euro-Eintritt zahlen die Griechen weniger Zinsen für ihre Staatsschulden. 2000 hat Griechenland (umgerechnet) über zehn Mrd. Euro Zinsen für seine Staatschulden gezahlt. Dank Schuldenschnitt und Draghis Niedrigzinspolitik sind es heute weniger als 8 Mrd. Euro. Gleichzeitig hat sich das BIP von gut 130 Mrd. auf mehr als 240 Mrd. US-Dollar nahezu verdoppelt. Die Wirtschaftsleistung ist also gestiegen und die Zinszahlungen sind gefallen. Das macht das strukturelle Problem offensichtlich.
3. Durch den Euro erlebten die Griechen den größten Wirtschaftsaufschwung aller Zeiten
Von 2000 bis 2007 wuchs die griechische Wirtschaft so kräftig wie nie zuvor. Die Verbraucher nutzten die Dank Euro niedrige Zinsen und kauften kräftig ein. Von 1995 bis 2005 haben sich die Kreditzinsen nahezu halbiert. Die Anzahl der neu zugelassenen Autos hat sich zum Beispiel verdoppelt. Ich habe den Eindruck, dass die Griechen über ihre Verhältnisse gelebt haben.
4. Die griechische Wirtschaft wächst wieder
Allen Unkenrufen zum Trotz ist das reale BIP im letzten Jahr wieder leicht – um 0,6 % – gewachsen. Wichtige Konjunkturindikatoren zeigen eine noch stärkere Trendwende. So hat sich die Zahl der zugelassenen Neuwagen wieder um 20 % erhöht. Also net jammern, schaffe …..
5. Ein Sozialtransfer war nie Ziel der Euro-Einführung
Scheinbar liegen die Sozialisten (nicht nur in Griechenland) einem grundlegenden Irrtum auf: Ein Sozialtransfer war bei der Einführung des Euro nie vereinbart. Es kann nicht sein, dass alle feiern und wir die gesamte Party zahlen sollen. Das übersteigt unsere Leistungsfähigkeit. Vielleicht müssen die deutschen Steuerzahler wirklich mal auf die Straße gehen und für ihre Rechte demonstrieren (und damit den deutschen Politikern den Rücken stärken.)
In 71 Jahren gab es 53 Wechsel an der griechischen Regierung. 25 Regierungschefs schafften dabei nicht einmal 100 Arbeitstage. Mal sehen, wann wir die nächste Wahl erleben. Zwei Familien, die Papandreous und die Karamanlis, haben ziemlich genau die Hälfte der Zeit (37 Jahre) in Athen regiert. Wer ist also schuld an der Griechenland-Misere, die griechische Politik oder die deutsche?